Erinnerung und Gedanken an Bismarck

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Zum 126. Todestag gedenkt und erinnert das Preußenjournal Otto von Bismarcks:
Auf daß sein Geist die Deutschen durch diese schweren Zeit begleitet.

Am 30. Juli 1898 verstarb Otto von Bismarck, der bedeutendste Staatsmann seiner Zeit und eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen Geschichte. Als treuer Diener Kaiser Wilhelm I., der „stets nur nach einem Leitstern steuerte: Dem allgemeinen Wohl“, hat er die politische Landschaft Europas und insbesondere die Deutschlands bis auf die Gegenwart nachhaltig geprägt. Bismarck, Monarchist bis ins Mark und damit ein wahrer Preuße, sicherte den Deutschen durch die Reichsverfassung die völkerrechtliche Existenz und legte den Grundstein für eine Erfolgsgeschichte der Deutschen Nation. Ohne sein unermüdliches Streben nach Einheit, sein diplomatisches Geschick und seine kluge Politik wäre sein Großes Werk der Reichsgründung nicht möglich geworden. Er schuf den ewigen Bund.

Bismarcks letzte Gedanken: Sorge um das Wohl seines Staates.

Es kamen Nachrichten über eine Verschlechterung im Befinden des Fürsten Bismarck. Am 30. Juli, 11 Uhr abends, ging er in die Ewigkeit. Eine ihm und seiner Familie befreundete Dame, die am Sterbebett stand, erzählte mir später, er habe in seinen Phantasien Serbien, Rußland und England genannt, habe wiederholt „Hilfe, Hilfe!“ – gerufen und immer wieder gestöhnt: „Aber ach, Deutschland, Deutschland, Deutschland!“ Hatten die Alten recht, wenn sie glaubten, daß dem Sterbenden die Götter in einer letzten Vision bevorstehendes Unheil, kommende Gefahren zeigen? Das letzte vernehmliche Wort, das Bismarck sprach, war: „Die Staatsräson!“ Die letzten Empfindungen, Wünsche und Sorgen des Fürsten Bismarck waren dem Staat gewidmet, dem er wie kein anderer gedient hat. ⁰

Leichenbildnis Bismarcks auf seinem SterbelagerNoch heute zehren wir von seinen Leistungen, Entscheidungen und Weisheiten. In seinen Büchern „Gedanken und Erinnerungen“¹ hat er selbst noch zu Lebzeiten sein Vermächtnis niedergeschrieben. Dem Werk hat er diese Widmung vorangestellt: „Den Söhnen und Enkeln zum Verständnis der Vergangenheit und zur Lehre für die Zukunft.“ Ein jeder sollte sich seine Worte zu Gemüte führen um zu verstehen, welche Bedeutung der Deutsche Gesamtstaat für die Deutschen hat.

Sein nationales Denkmal vor dem Reichstag.

Seine Zeitgenossen waren sich des Wertes und der Bedeutung seines Lebenswerkes bewußt, überall im Bundesgebiet, erbaute Türme zu seinen Ehren und seinem Andenken. Drei Jahre nach seinem Tode sollte ihm ein Andenken für die Ewigkeit bereitet werden: Das Nationaldenkmal für Otto von Bismarck wurde am 3. Juni 1901² feierlich auf dem Königsplatz vor dem neuen Reichstagsgebäude in Anwesenheit des Kaisers enthüllt. Die Nazis haben es später  von dort zum Großen Stern verbracht, um Bismarck in Vergessenheit geraten zu lassen. Doch wahre Größe und Liebe lässt sich nicht beseite räumen: Bereits zu Lebzeiten wurden an verschiedenen Orten Statuen zu Ehren des Gründers des Deutschen Gesamtstaates errichtet. Das von Reinhold Begas geschaffene Monument jedoch übertrifft alle anderen an Bedeutung und trägt zurecht den Titel eines Nationaldenkmals.

Vor der Enthüllung des Bismarckdenkmals in Berlin am 16. Juni 1901 hielt Reichskanzler Bernhard Graf von Bülow³ in Anwesenheit Kaiser Wilhelms I. eine Rede auf den wohl größten Deutschen in der Geschichte unseres Volkes. Diese Rede teilten wir heute zu Ehren Otto von Bismarcks mit unseren Lesern.
Enthüllung des Bismarck Nationaldenkmal in Berlin

 

Bülows Gedenkrede auf Otto von Bismarck.

,,Eure Majestäten! Eure Exzellenzen! Meine Herren!

Am Abend seines Lebens hat Fürst Bismarck geäußert, er sei Gott dankbar dafür, daß es ihm vergönnt gewesen sei, seinen Namen dauernd in die Rinde der deutschen Eiche einzuschneiden. Heute, wo wir sein Nationaldenkmal in der Reichshauptstadt enthüllen, ist unter denen, die mich hier umgeben, ist im ganzen deutschen Volke niemand, der nicht fühlte und wüsste, daß die Spur der Erdentage des Eisernen Kanzlers nicht untergehen, daß die Bewunderung und Dankbarkeit für ihn nicht aufhören werden, solange ein deutsches Herz schlagen, ein deutscher Mund reden, eine deutsche Faust sich ballen wird.

Dieses Bewußtsein ist heute noch stärker, lebendiger und klarer als in den Tagen, wo Fürst Bismarck unter uns weilte. Denn Fürst Bismarck war nicht, wie sein gleich unvergesslicher Nebenmann, der Feldmarschall Moltke, der still im reinen Äther unpersönlicher Betrachtung kreisende Aar. Er war eine Löwennatur, er stand auf der Erde, im Staube des Kampfes. Er hat bis zuletzt nicht aufgehört, mit Leidenschaft zu kämpfen. Und der Kampf bringt berechtigte Gegnerschaft und unberechtigte Verkennung, ehrliche Feindschaft und blinden Hass. Der Haß aber, hat vor 2000 Jahren Pericles gesagt am Grabe der für ihre Altäre gefallenen Athena, ist von kurzer Dauer, unvergänglich jedoch, der Ruhm. Nachdem sich der Staub des Kampfes verzogen hat, leuchtet uns nur die Erinnerung an unerreichte Taten und an eine unvergleichliche Persönlichkeit. So wird der gigantische Schatten des Fürsten Bismarck wachsen, je weiter der Lebenstag des deutschen Volkes vorrückt und je mehr das nationale Urteil ausreift.

Auf märkischer Scholle, im Herzen Preußens geboren, ist Otto von Bismarck in den Mauern der Stadt Berlin aufgewachsen. Den Garten der Plamannischen Erziehungsanstalt, einst dort am unteren Ende der Wilhelmstraße gelegen, hat er nachmals den Geburtsort seiner Luftschlösser genannt. Hinter dem Bretterzaun dieses Gartens zeigte dem Knaben die Fantasie, die ganze bunte Erde mit ihren Wäldern und Burgen und allen den Erlebnissen, die sein erwarteten. Die ganze weite Welt, die dieser Knabe dereinst umgestalten sollte, als er nach einem Menschenalter in die Wilhelmstraße zurückkehrte und die größte Epoche der deutschen Geschichte begann.

Nachdem er unter und mit Kaiser Wilhelm dem Großen in gewaltiger Energie das Reich aufgerichtet hatte, sicherte er diesem und der Welt in ebenso seltener Mäßigung und Selbstbeschränkung den Frieden. Er hat, um mit Fichte zu reden, das deutsche Volk aus dem Gröbsten herausgehauen. Er hat, um mit seinen eigenen Worten zu reden, das deutsche Volk in den Sattel gehoben, was vor ihm keinem geglückt war. Er hat ausgeführt und vollendet, was seit Jahrhunderten das Sehnen unseres Volkes und das Streben unserer edelsten Geister gewesen war, was die Ottonen und Salier und Hohenstaufen vergeblich angestrebt hatten, was 1813 den Kämpfenden als damals nicht erreichter Siegespreis vorschwebte, wofür eine lange Reihe Märtyrer der deutschen Idee gekämpft und gelitten hatten. Und er ist gleichzeitig der Ausgangspunkt und Bahnbrecher einer neuen Zeit für das deutsche Volk geworden.

In jeder Hinsicht stehen wir auf seinen Schultern. Nicht in dem Sinne, als ob es vaterländische Pflicht wäre, alles zu billigen, was er gesagt und getan hat. Notoren oder Fanatiker werden behaupten wollen, daß Fürst Bismarck niemals geirrt habe. Auch nicht in dem Sinne, als ob er Maximen aufgestellt hätte, die nun unter allen Umständen in jedem Falle und in jeder Lage blindlinks anzuwenden wären. Starre Dogmen gibt es weder im politischen noch im wirtschaftlichen Leben, und gerade Fürst Bismarck hat von der Doktrin nicht viel gehalten. Aber was uns Fürst Bismarck gelehrt hat, ist, daß nicht persönliche Liebhabereien, nicht populäre Augenblickströmungen, noch graue Theorie, sondern immer nur das wirkliche und dauernde Interesse der Volksgemeinschaft, die Salus Publica (lat. das Allgemeinwohl), die Richtschnur einer vernünftigen und sittlich berechtigten Politik sein darf.

Was uns sein ganzes Wirken zeigt, ist, dass der Mensch das Schiff lenken kann, das auf dem Strome fährt, nicht aber den Strom selbst. Dass wir, wie Fürst Bismarck sich ausgedrückt hat, die großen Dinge nicht machen, aber den natürlichen Lauf der Dinge beobachten und das, was dieser Lauf zur Reife gebracht hat, sichern können. Mit anderen Worten, daß es in der Politik darauf ankommt, in jedem Augenblicke die Grenzen des Erreichbaren deutlich zu erkennen, an die Erreichung des zu Nutz und Frommen des Landes Erreichbaren alles zu setzen. Keine Partei darf den Fürsten Bismarck für sich allein mit Beschlag belegen, aber jede kann und soll trotz der Gegensätze in dieser oder jener Frage vor diesem Toten den Degen senken. Er gehört keiner Koterie (franz. Klüngel), er gehört der ganzen Nation, er ist ein nationales Eigentum.

Er ist auf politischem Gebiet und im Reiche der Tat für uns geworden, was Goethe im Reiche der Geister, auf dem Gebiete der Kunst und Kultur für uns gewesen war. Auch er hat, wie Schiller von Goethe sagte, die Schlange erdrückt, die unseren Genius umschnürte. Goethe hat uns auf dem Gebiete der Bildung geeinigt, Bismarck uns politisch denken und handeln gelehrt. Und wie Goethe für immer als Stern an unserem geistigen Himmel steht, so ist Bismarck uns die Gewähr dafür, daß die Nation ihre Gleichberechtigung mit anderen Völkern, ihr Recht auf Einheit, Selbstständigkeit und Macht niemals aufgeben kann. Er hat uns das Beispiel gegeben, nie zu verzagen, auch in schwierigen und verworrenen Zeiten nicht. Er lehrte uns, uns selbst treu zu bleiben. Er gab uns Selbstbewußtsein, Unternehmungsgeist und Leben. In ihm kann sich wie in einem Spiegel die Nation selbst beschauen, denn er war vor allem ein Deutscher, im vollsten Sinne des Wortes. Er ist nur auf deutschem Boden denkbar, nur für den Deutschen ganz verständlich.

Dort vor uns liegt die Siegesallee. Wenn diese stolze Straße von den Askanien und von den Nürnberger Burggrafen bis zum großen deutschen Kaiser führt, so verdanken wir es in erster Linie dem Genie des Mannes, dessen Bild von Erz sich jetzt vor unseren Blicken enthüllen soll. Seiner Ausdauer, seinem heldenhaften Mut, seiner Klugheit, seiner Arbeit für die Dynastie, die aus dem Süden Deutschlands zu uns kam, um von hier aus Nord und Süd für immer zu verbinden. Sein Werk ist so beschaffen, daß es ihn überleben kann. In der Mitte von Europa gelegen, sind wir darauf hingewiesen, immer en vedette (frz. im Fokus, Hauptrolle) zu sein, aber stark genug, unsere Unabhängigkeit nach jeder Seite zu behaupten. Von Gegensätzen, durchzogen in politische, wirtschaftliche und konfessionelle Beziehungen, wird es uns nie an inneren Kämpfen fehlen, aber sie werden nicht mehr imstande sein, den Reif zu sprengen, der vor 30 Jahren geschmiedet wurde. Exegit monumentum ere perennius (lat. „Er hat ein Denkmal geschaffen, das dauerhafter ist als Erz.“ – Horaz).

So möge denn des großen Mannes Namen als Feuersäule vor unserem Volke herziehen, in guten und in schweren Tagen. Möge sein Geist für immer mit uns sein, mit uns und unserer Fahnen flug. Möge unser deutsches Volk seiner großen Zukunft in Frieden und Freiheit, in Wohlfahrt und Stärke entgegen gehen, unter der Führung des glorreichen Hohenzollernhauses, auf dessen Schultern die Zukunft der Nation ruht. In solcher Hoffnung und in solcher Gesinnung wollen wir vor diesem Standbild, das ich im Namen des Reiches hiermit übernehme, einstimmen in den Ruf: Seine Majestät der deutsche Kaiser, die deutschen Fürsten und unser geliebtes deutsches Vaterland, sie leben hoch und nochmals hoch und immer da hoch.“⁴

Erinnerung an den größten Deutschen.

An seinem Todestag erinnern wir Otto von Bismarck ehrfürchtig als den Reichsgründer und treuen Diener Kaiser Wilhelm I., der die Geschichte Deutschlands und Europas für immer änderte. Bismarcks Leben und Wirken bleiben ein leuchtendes Beispiel für politische Exzellenz, unerschütterliche Königstreue und nationalen Dienst am allgemeinen Wohl. Sein Erbe lebt weiter, nicht nur in seinen Gedanken und Erinnerungen oder den Geschichtsbüchern, sondern auch in den Herzen und Köpfen der Deutschen, die in seiner Vision und seinen Errungenschaften eine Quelle neuer Stärke und Zuversicht finden. Wir sagen: Danke Otto von Bismarck! Deinem Vorbild und deinem Geiste folgend wird die herrschende Finsternis überwunden, das geloben die Söhne und Enkel Preußens!

Bismarck und die preußische Ehre.


Quellen und Nachweise
⁰ Staatsbibliothek des ewigen Bundes, Bülow, Denkwürdigkeiten, Bd. 1, S. 229.
¹ Staatsbibliothek des ewigen Bundes, Otto von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen, 1898.
² Lokalgeschichte, Die Enthüllung des Nationaldenkmals für den Fürsten Bismarck in Berlin.
³ Meyers Großes Konversations-Lexikon,1905, Bernhard von Bülow. 
⁴ Fürst Bülows Reden, Gr. Ausgabe I, Seite 222; Kl. Ausgabe I, S. 246.

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